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Verlust der Stille

 
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 Mit freundlicher Genehmigung für  tinnitus-fakten  von Frau Dr. Eva Tenzer


EvaTenzer

Der Verlust der Stille

Qual der permanenten Ruhestörung: Früher ein Göttersummen, heute eine Krankheit – eine Kulturgeschichte des Tinnitus

Eines Morgens, da es mir nicht schlechter als gewöhnlich ging und ich gerade damit beschäftigt war, eine kleine Tischplatte auf ihrem Fuß zu befestigen, fühlte ich mit einem Schlage in meinem ganzen Körper einen plötzlichen und fast unbegreiflichen Aufruhr. Ich weiß ihn nicht besser als mit einem Sturme zu vergleichen, der sich in meinem Blute erhob und mir augenblicks in alle Glieder fuhr. Meine Adern fingen mit solcher Gewalt zu schlagen an, dass ich ihr Klopfen nicht nur fühlte, sondern sogar hörte, und vor allem das der Kopfschlagader! Damit verband sich ein mächtiges Ohrensausen, und dieses Sausen war dreifach oder vielmehr vierfach. Nämlich zunächst ein dumpfes schweres Brausen, dann ein helles Murmeln wie von fließendem Wasser, endlich ein grelles Pfeifen, und dazu trat dann noch das Klopfen, dessen einzelne Schläge ich zählen konnte, ohne meinen Puls zu fühlen oder meinen Leib überhaupt mit den Händen zu berühren.“

Der wie vom Donner gerührte Jean Jacques Rousseau wirft sich aufs Lager und lässt den Arzt rufen. Insgeheim ist er überzeugt, sterben zu müssen, und schließt mit seinem Leben ab. Ein herbeigeeilter Medicus erprobt eine Versuchskur, die gerade en vogue ist. Wir erfahren von ihr nicht mehr, als dass sie „schmerzhaft, widerwärtig“ – und vor allem nutzlos gewesen sei. Wahrscheinlich wurde der 24-Jährige kräftig zur Ader gelassen, was man im 18. Jahrhundert bei allerlei Beschwerden noch für eine probate Therapie hielt. Dennoch waren dem französischen Philosophen noch mehr als vierzig Jahre beschieden, nachdem er seinen Hörsturz überstanden und die lange Geschichte seines Tinnitus (von lat.: tinnire = klingeln) begonnen hatte. Bis zu seinem Tode sollte ihn dieses Leiden, das er schlicht „das Brausen“ nannte, allerdings nicht mehr loslassen.

Das Geklingel des Teufels

Die Mediziner unter Rousseaus Zeitgenossen waren mit der Erklärung der rätselhaften Ohrgeräusche noch nicht weiter gekommen als ihre Kollegen im Mittelalter und der späten Antike. Brachte die gängige Praxis mit Aderlässen, Schröpfköpfen, Diäten oder Ohreinläufen nichts, hob man ratlos die Schultern; der Patient war austherapiert. Die Kirche vermutete gelegentlich den Teufel persönlich hinter dem Geklingel. In der frühen Antike dagegen genoss der Tinnitus-Patient ein hohes Ansehen. Denn nach Meinung der Griechen, deren Welt vom Göttlichen noch üppig bevölkert war, hörte er das Summen und Musizieren der Götter. Platon und Pythagoras erwähnen die „kosmische Musik“, die sie tagein, tagaus vernahmen. In der vorhippokratischen Epoche waren für Krankheiten und ihre Heilung ohnehin noch die Götter zuständig. Die Ärzte waren eher Magier als rationale, wissenschaftlich geschulte Heiler. Über fehlerhaft arbeitende Sinneszellen machte man sich noch keine Gedanken. Auch bei den Römern genossen Knaben mit Tinnitus Ansehen und Prestige, denn sie wurden mit ihrer „inneren Musik“ als Medium für Weissagungen oder zur Wahrheitsfindung vor Gericht eingesetzt.

Erst mit dem Wanderarzt Hippokrates kam die Wende, sprich: die Entzauberung des Tinnitus. Im Kosmos der hippokratischen Vier-Säfte-Lehre herrschte die Rationalität. Hippokrates negierte jeden übernatürlichen Einfluss auf das Krankheitsgeschehen und lehnte die magischen Behandlungsversuche der „sakralen Ärzte“ ab. Umwelt, Lebensgewohnheiten, Konstitution und Gemüt galten ihm als Auslöser von Krankheiten. Das Ohrensausen interpretierte er als Störung der inneren Harmonie und des biologischen Gleichgewichts. Als Ursache vermutete Hippokrates ein Geräusch in den Blutgefäßen und vertrieb damit die Götter aus den Ohren seiner Zeitgenossen. Die Römer übernahmen diese Sichtweise. Entsprechend anders klingt es dann schon bei Kaiser Titus, von dem um 70 n. Chr. berichtet wird, dass ein „Wurm in seinem Kopfe bohre und brumme“. Auch der römische Arzt Galen schlug um 150 n. Chr. andere Töne an: Das Ohrenklingeln sei wider die Natur, entstanden aus Dämpfen und zähen Säften im Kopf oder einer Verstopfung des Gehörgangs. Der Tinnitus war zur Krankheit geworden.

Viele Fortschritte machte die medizinische Forschung in den folgenden Jahrhunderten nicht. Sie blieb im Wesentlichen an der Vier-Säfte-Lehre orientiert. Die Schulmediziner schröpften und ließen zur Ader, meist ohne Erfolg. Auch die Homöopathen, die die brachialen Methoden der Schulmedizin anprangerten, nahmen sich dieses Leidens an. Ihre Arzneimittellehren zeigen, wie detailliert die Symptome schon bekannt waren: „Ein Klingeln ähnlich einer äolischen Harfe, verbunden mit Reizbarkeit und Zorn“, „Musik oder Summen wie von Insekten“ oder „Rauschen und Gurgeln wie neben einem Bächlein“ – die Liste wurde stetig ergänzt; für jeden Klangtyp wurde ein spezielles Mittel verabreicht. Schon eine gute Materia Medica des 19. Jahrhunderts zählt mehr als zwanzig verschiedene Arzneien gegen das Ohrensausen auf. Die Fallbeschreibungen der Homöopathen berichten durchaus von Behandlungserfolgen, doch ein generell wirksames Mittel fanden weder Schul-, noch Alternativmedizin.

Alle Patienten, abgesehen von den Vorhippokratikern vielleicht, empfanden den Verlust der Stille als quälend. Be-gleiten wir Rousseau noch ein Stück auf seinem Leidensweg: „Dieses innere Geräusch war so groß, dass es mir das feine Gehör, dessen ich mich bis dahin erfreut hatte, völlig raubte und mich zwar nicht ganz taub, aber schwerhörig gemacht hat“, klagt er im sechsten Buch seiner „Confessions“. Bei dem Philosophen begegnen wir allerdings einer eindrucksvollen Art der Krankheitsbewältigung. Nach dem ersten Schrecken und einiger Zeit in Verzweiflung hört er auf zu hadern und zu bangen. Die Todesangst weicht, und er entdeckt einen Sinn in der Pein: „Dieses Leiden, welches meinen Körper hätte töten müssen, tötete nur meine Leidenschaften, und so segne ich denn noch heute den Himmel für die glücklichste Wirkung, die es auf meine Seele übte. Wohl kann ich sagen, ich fing erst da zu leben an, als ich mich für einen toten Menschen hielt; indem ich den Dingen, die ich verlassen musste, ihren wahren Wert zuerteilte, fing ich an, mich um edlere zu kümmern“, bekennt er. Mit dem Tinnitus entdeckt der Philosoph die vernachlässigte Religion wieder, aus ihr schöpft er „süßen, wahrhaften Trost“ und neue Hoffnung. Die körperliche Begrenzung wird in der Grenzenlosigkeit der Religion überwunden.

Ein anderes Beispiel für Transzendenz, allerdings eher in Form von intellektueller Distanzierung in der Tradition der Aufklärung, bietet der Aphoristiker Georg Christoph Lichtenberg. Der Göttinger Professor litt von Jugend an unter zahlreichen Krankheiten: Eine Skoliose führte zu Wirbelsäulenverkrümmung und Kleinwuchs; Asthma und Herzrasen machten ihm das Leben schwer. 1789 gesellt sich heftiges Ohrensausen dazu. Tagebucheintragungen und Briefe verraten: „Glockenklänge in den Ohren“, „abscheuliches Brausen“, „Klingeln“, „starkes Sausen“, „tiefes Brummen in den Ohren“, und am 12. Dezember: „Den Nachmittag auch viel Orgelton, nimmt zu und wird den Abend erschrecklich. Kein Auge zugetan bis Morgen um halb vier.“

Aber Lichtenberg bleibt in dieser Situation der passionierte Naturwissenschaftler und distanzierte Betrachter. Seine Selbstironie und die Fähigkeit zur Selbstbetrachtung sind bestechend. Briefe unterschreibt er mit „der arme Hypochonder“, eine Zahn-Operation schildert er im Stil der zeitgenössischen Kriegsberichterstattung, und auch Ängste und Unbehagen im Zusammenhang mit dem Tinnitus attackiert er mit satirischen Anmerkungen bis hin zur boshaften Selbstverspottung. Er erleidet den Tinnitus nicht nur, sondern experimentiert damit: In einer ruhigeren Phase hält er sich beide Ohren zu und erschafft mit äußerster Konzentration einen künstlichen Tinnitus, um sich hernach einbilden zu können, der echte sei ebenso „erkünstelt“. Lichtenberg bezieht das physiologisch-akustische Phänomen Tinnitus in seine physikalischen Interessen und Experimente ein.

Selbstzerstörerische Arbeitswut

Transzendenz und Distanzierung gelangen freilich nicht allen Betroffenen. Vor allem sensible, grüblerisch veranlagte Künstler verzweifelten an der permanenten Ruhestörung. Die meisten stürzten sich um so verbissener in die Arbeit und verschlimmerten damit ihren Zustand. Vor allem die Musiker litten und leiden, denn häufig begleiten Schwerhörigkeit oder Hyperakusis, die Überempfindlichkeit gegen laute Geräusche oder bestimmte Tonhöhen, den Tinnitus. Ludwig van Beethoven, Robert Schumann, Bedrich Smetana – sie alle fühlten sich durch das hochfrequente Fiepen bei ihrer Arbeit behindert.

Beethoven nahm in seinem unglaublichen Arbeitspensum kaum Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand. Die Arbeit an den Kompositionen, Ärger mit Auftraggebern, Geschäftspartnern und Aufführungshäusern zehrten an seinen Kräften. In einem Brief an den Freund Franz Wegeler vom 29. Juni 1801 klagt er über das wachsende Unbehagen: „Nur meine Ohren, die sausen und brausen Tag und Nacht fort. Ich kann sagen, ich bringe mein Leben elend zu, seit zwei Jahren fast meide ich alle Gesellschaft, weil’s mir nicht möglich ist, den Leuten zu sagen: Ich bin taub.“

Beethoven schwankte zwischen Resignation und trotzigem Jetzt-erst- recht. Obwohl ihm die Ohrgeräusche den Schlaf und die Ruhe zum Komponieren raubten, stürzte er sich in die Arbeit. Im selben Jahr, in dem er dem Freund sein Leid klagte, wird sein „Prometheus“ uraufgeführt, er komponierte Sonaten und arbeitete an der „Eroica“. Bei allen Belastungen war er entschlossen, sich von seinen Ohren nicht beeinträchtigen zu lassen – ein Teufelskreis. Heute weiß man, dass allein sofortige Stressreduzierung die Symptome lindert. Beethovens Zustand wurde ernst: Misanthropische und gereizte Stimmungen schlugen in depressive Verzweiflung um, was die Ohrgeräusche verstärkte. Nur kurz spannte er im November 1801 bei einem Kuraufenthalt aus, worauf sich der Tinnitus prompt besserte. Doch nach der Kur setzte er sein Werk ungebremst fort. Im folgenden Jahr komponierte er weitere Klavier- und Violinsonaten sowie seine zweite Sinfonie, betreute Aufführungen und führte seinen Schriftwechsel weiter. Mit „Fidelio“ wuchs seine Popularität ebenso wie die Verpflichtungen zunahmen.

In dieser ungebrochenen Arbeitswut ähnelte er dem Romantiker Robert Schumann. Im Hause Schumann wurde über Jahre hinweg Tagebuch geführt, in dem der stets labile psychische und körperliche Zustand des Komponisten breiten Raum einnimmt. Schon früh klagte er über Hörstörungen. Am 4. März 1846 notierte Clara Schumann: „beständiges Singen und Brausen im Ohr“ und zwei Tage später: „merkwürdige Verstimmung des Hörorgans“. Als Inkarnation der Hoch romantik reagierte Schumann empfindlich auf anrührende Ereignisse und stand unter ständiger seelischer Anspannung. Immer wieder beschrieb er sein „überreiztes Gefühlsleben“. Aber er schien den Tinnitus als natürliche Begleiterscheinung seiner Empfindsamkeit und seiner schöpferischen Tätigkeit zu akzeptieren, die ihn so oft an die Grenze seiner Kräfte führte. Man findet keine Eintragung über eine Therapie oder eine Arztkonsultation. In seiner selbstzerstörerischen Arbeitswut ließ er sich nicht bremsen und opferte sich seiner Musik – bis zum Zusammenbruch 1854 und seinem spektakulären Selbstmordversuch durch einen Sprung in den Rhein.

Es sollten noch dreißig Jahre vergehen, bis ein Künstler wagte, einen bedeutenden Schritt weiter zu gehen als die Aufklärer und Romantiker vor ihm: Der tschechische Nationalkomponist Bedrich Smetana setzte seinen Tinnitus künstlerisch um und machte ihn damit für alle Welt erfahrbar. Schon 1874, im Alter von fünfzig Jahren, war Smetana so weit ertaubt, dass er alle öffentlichen Ämter aufgeben musste. Danach führte er ein zurückgezogenes Leben auf dem Lande. Der Komponist gab eine Beschreibung des Tinnitus, die in der literarischen Qualität ihresgleichen sucht: „Die größte Qual bereitet mir das fast ununterbrochene Getöse im Inneren, das mir im Kopf braust und sich bisweilen zu einem stürmischen Gerassel steigert. Dieses Dröhnen durchdringt ein Gekreisch von Stimmen, das mit einem falschen Zischen beginnt und bis zu einem furchtbaren Gekreisch ansteigt, als ob Furien und alle bösen Geister auf mich losfahren würden. In diesen höllischen Lärm mischt sich dann das Geschmetter falsch gestimmter Trompeten und anderer Instrumente. Und das alles übertönt und stört meine eigene Musik, die gerade in mir aufklingt. Beim Komponieren wird das Brausen schlimmer, in ruhiger Stimmung leiser. Oft bleibt nur, die Arbeit zu unterbrechen“, so schließt er den Brief an einen Freund.

Akustischer Aufruhr im Ohr

Dennoch gelang Smetana bei allem Leid an der inneren Kakophonie eine Transzendenz in der Kunst ähnlich wie Rousseau in der Religion und Lichtenberg in der Wissenschaft: 1876 komponierte er eines seiner berühmtesten Stücke, das „Streichquartett Nr. 1 in e-Moll, Aus meinem Leben“. Im vierten Satz, dem Vivace, das Smetanas letzten Lebensabschnitt charakterisiert, bricht die Melodie plötzlich ab. Statt das fröhliche, stellenweise überschäumende Hauptthema in einer Vivace-Coda weiterzuführen, ertönt ein starres, sehr lautes viergestrichenes e der ersten Violine – Smetanas Tinnituston.

Diese expressionistisch anmutende Einlage war ein radikaler Bruch mit den Konventionen der Kammermusik und ein Hörerlebnis, das das zeitgenössische Publikum verstörte. Mit dem Ton verdüstert sich die Stimmung des Stücks, umrahmt von einem bedrohlichen Tremolo der übrigen Streicher. Smetana lässt die Hoffnungslosigkeit spüren, die ihn angesichts des akustischen Aufruhrs in seinen Ohren überkommen hatte.

In einem Brief erklärte er den Kunstgriff: „Es ist das Klangsymbol für das schicksalsschwere Pfeifen in den höchsten Tönen, das im Jahre 1874 in meinen Ohren entstand und meine beginnende Taubheit ankündigte.“ Wie viele seiner Leidensgenossen war Smetana nicht vor der Versuchung gefeit, sein Glück bei Scharlatanen zu suchen: 1877 vertraute er sich einem russischen Wunderheiler an, der Hals und Ohren punktierte: „Das Resultat war Null, statt des Gehörs gewann ich einen geschwollenen Hals“, resümierte er sarkastisch. Nach sechs Jahren schien ihm selbst die völlige Ertaubung annehmbarer zu sein als das nervenaufreibende Ohrengeklinge: „Die Taubheit wäre ein verhältnismäßig erträglicher Zustand, wenn es dabei im Kopf nur still bliebe“, schrieb er im Januar 1880.

Die Liste der Betroffenen ließe sich noch lange fortsetzen: Martin Luther, Novalis, Francisco de Goya, Friedrich Rückert – bei allen piepte es. Einige Biografen vertreten sogar die umstrittene These, Vincent van Gogh habe sich sein Ohr wegen eines Tinnitus abschneiden wollen. Der Umgang der Betroffenen mit der Krankheit entsprach meist einem der dargestellten Muster: Verzweiflung, Distanzierung oder Transzendenz.

Seither ist die Wissenschaft weiter gekommen. Vier bis acht Millionen Menschen in der Bundesrepublik, so wird geschätzt, leiden heute unter Tinnitus. Darunter immer mehr Kinder und Jugendliche. Genaue epidemiologische Daten gibt es nicht. Im Grunde hat sogar jeder sein Klingeln im Ohr, nur nehmen es die meisten Menschen nicht wahr. Ein Experiment von 1953 zeigte: 93 Prozent aller (gesunden) Probanden nahmen nach einem fünfminütigen Aufenthalt in einer schallisolierten Kabine Ohrgeräusche wahr. Die aktuelle Forschung vermutet, dass – neben einem Lärmtrauma oder Medikamenten – die Ursache in den meisten Fällen ein Problem bei der Filterung der Hörwahrnehmung ist. In Spezialkliniken geht man dazu über, den Patienten die falsch geleitete Wahrnehmung einfach wieder abzutrainieren.

Tinnitus-Patienten gelten im modernen, auf Effizienz und Kostenminimierung bedachten Gesundheitssystem als lästig. Ihre Beschwerden verlaufen oft chronisch und sind rein subjektiv (nur in wenigen Fällen ist der Tinnitus mit speziellen Geräten objektiv hörbar zu machen). Sie laufen von einem Arzt zum anderen, schauen gelegentlich auch bei zwielichtigen Quacksalbern vorbei und greifen nach jedem Strohhalm. Dem sozialen Umfeld fehlt das Verständnis; es stempelt die Patienten zu nervenschwachen Wracks: überfordert, perfektionistisch, seelisch labil, aggressiv gehemmt. Kaum jemand spricht gerne darüber, dass ihm Klingeln, Sausen oder Klopfen die Ruhe rauben. Es passt nicht ins Ideal reibungsloser Funktionstüchtigkeit.

Das eigentlich Erstaunliche am Tinnitus ist also die Geschichte seiner Umwertung, die er in den vergangenen 3000 Jahren erfahren hat. Wie schön war doch dagegen die Theorie mit dem Göttersummen. Die alten Griechen hatten es besser.

© Veröffentlichung nur mit ausdrücklicher Zustimmung von Frau Dr. Eva Tenzer