D-Zug im Ohr Gegen Hörsturz gibt es immer noch keine wirksame Therapie Etwa drei Millionen Deutsche
leiden unter krankhaften Ohrgeräuschen. Den Horror im Hörorgan
erahnt der Gesunde aus drastischen Schilderungen: "Wie ein
D-Zug, der durchs Zimmer fährt", "Kindergeschrei so
laut wie ein Presslufthammer" oder "Schmerzhaftes
Quietschen, als würde einem der Hörnerv aufgespießt".
Subtiler quält ein dissonantes, viergestrichenes "E"
in Smetanas Streichquartett "Aus meinem Leben" den Zuhörer:
In dessen letztem Satz hat der Komponist sein Ohrpfeifen und die
beginnende Taubheit autobiographisch vertont. Enttäuscht von
den Ärzten des späten 19. Jahrhunderts vertraute sich Smetana
einem russischen Wunderheiler an - doch auch dessen Punktionen
bewirkten nichts als schmerzhafte Schwellungen und hohe Kosten. Statt dessen deuten neuere Forschungsergebnisse darauf hin, dass ganz unterschiedliche Schädigungen des Innenohrs, darunter Virusinfektionen und gestörte Immunreaktionen, das gemeinsame Symptom "Hörsturz" auslösen können. Das würde immerhin erklären, warum die Unterdrückung der Immunantwort durch Kortison die einzige Therapie ist, deren Wirksamkeit bei bestimmten Hörsturz-Patienten bewiesen werden konnte. Da wissenschaftliche Kriterien fehlen, bestimmen nicht zuletzt wirtschaftliche Gesichtspunkte das ärztliche Handeln: Jeder Tag stationäre Infusionstherapie bringt mehrere Hundert Mark, zusätzlich wird etwa eine Milliarde jährlich für gefäßerweiternde Mittel bei Hörsturz und Tinnitus ausgegeben. Dagegen wird die Druckkammer-Behandlung mit Sauerstoff, deren Wirksamkeit bei Hörsturz immerhin im Tierexperiment bewiesen ist, seit kurzem nicht mehr bezahlt: HNO-Ärzte und Pharmafirmen haben zwar keine besseren fachlichen Argumente als die Druckkammer-Betreiber - dafür aber eine wesentlich stärkere Lobby. Veröffentlichung auf
tinnitus-fakten.de mit ausdrücklicher Genehmigung von
Herrn Prof. Dr. Dr. Alexander S. Kekulé
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